Hundekrankheiten Lexikon: Kreuzbandriss (Ruptur des Ligamentum cruciatum craniale)
Eine der häufigsten Lahmheitsursachen der Hinterhand beim Hund stellt der Riss oder Anriss des vorderen Kreuzbandes dar. Die Diagnosefindung kann sich in manchen Fällen recht schwierig darstellen.
Symptome beim Kreuzbandriss:
Im klassischen Fall lahmt der Patient akut nach einem Trauma und das betroffene Hinterbein wird geschont. Ein Kreuzbandriss oder Kreuzbandanriss kann sich aber auch sehr dezent darstellen. So werden häufig Patienten vorgestellt, welche nur ganz geringgradig lahmen oder Probleme beim Aufstehen oder Hinsetzen zeigen. Verbale Schmerzäußerungen sind außer bei einem akuten Trauma selten. Die Tiere können auch mit einem Kreuzbandriss oder Kreuzbandanriss häufig für den Besitzer scheinbar lahmheitsfrei laufen, so dass nur ein geschultes Auge die Lahmheit erkennt.
Der Orthopäde sieht häufig im Gangbild, aus welchem Anteil der Hintergliedmaße der Schmerz kommt. So unterscheidet man zwischen Stützbein- und Hangbeinlahmheit. Beim Kreuzbandriss oder Kreuzbandanriss belastet der Hund die betroffenen Gliedmaße häufig geringer als die gesunde Seite. In vielen Fällen stützt der Patient das Bein nicht vollständig auf und zittert mit der betroffenen Hintergliedmaße im Stand. Eine vollständige Schonhaltung mit Hochheben des betroffenen Beines kommt ebenso vor.
Bei der Berührung und beim Abtasten der Gliedmaße, bei der so genannten Palpation, ist eine Schwellung des Kniegelenkes obligatorisch. Diese Schwellung kann jedoch so dezent ausgebildet sein, dass nur der geübte Untersucher diese fühlt.
Im Verlauf kann der so genannte Sitztest Hinweise auf eine Kniegelenkssymptomatik geben. Die betroffenen Tiere sitzen häufig auf der gesunden Seite und stecken die erkrankte Gliedmaße im Sitzen etwas weiter nach außen aus.
Der Tibiakompressionstest ist eine orthopädische Untersuchung, bei dem der Unterschenkel vom Untersucher in einer bestimmten Art und Weise komprimiert wird. Ist dann ein Vorwärtsgleiten des Unterschenkel zu fühlen, ist das vordere Kreuzband gerissen.
Das Schubladenphänomen beschreibt ebenfalls das Vorwärtsgleiten der Tibia gegen den Oberschenkel des Kniegelenkes. Hierzu greift der Orthopäde den Ober- und Unterschenkel mit einem speziellen Griff und versucht die Gliedmaßenanteile gegeneinander zu verschieben. Bei sehr muskulösen oder bei ängstlich, angespannten Tieren ist diese Untersuchung häufig falsch, negativ oder nicht durchzuführen.
Eine Röntgenuntersuchung sollte aufgrund der Schmerzen bei der Provokation des Kniegelenkes in Narkose erfolge. Zudem sind die Lagerung des Knies und die Aussagekraft der erstellten Bilder deutlich besser. Ein weiterer Vorteil bietet die erneute Palpation in Narkose. Hier sind die Muskeln erschlafft und hindern den Untersucher nicht, die Schubladenprobe oder den Tibiakompressionstest erneut und mit mehr Aussage durchzuführen zu können.
Das Meniskusklicken ist nicht selten fühl- oder hörbar. Ausgelöst wird dies durch den Defekt des medialen Meniskus bei der Beugung des Kniegelenkes.
Therapiemöglichkeiten beim Kreuzbandriss
Als Mittel der Wahl gilt bei einem Kreuzbandriss eine Operation. Da der Riss des vorderen Kreuzbandes schon sehr lange in der Tiermedizin diagnostiziert wird, gibt es inzwischen sehr viele unterschiedliche Methoden der Operation. In sehr speziellen Ausnahmefällen und bei sehr leichten Tieren ist eine Verbandstechnik gefordert, welche jedoch häufig unbefriedigend ist, da keine Lahmheitsfreiheit erzielt wird.
Bei den Operationstechniken muss grundsätzlich zwischen drei Arten unterschieden werden:
- intrakapsuläre Technik
- extrakapsuläre Technik
- Veränderung der Biomechanik des Kniegelenkes
Zu 1) intrakapsuläre Technik: Bei einer intrakapsulären Operationstechnik wird ein Bindegewebsstreifen aus der Oberschenkelfascie (Fascia lata) entnommen. Dieser Streifen wird dann durch das Kniegelenk gefädelt um die Funktion des Kreuzbandes zu imitieren. Hierzu wird mittels einer Arthotomie das Kniegelenk von der Seite eröffnet. In dieser Situation kann der mittig liegende Meniskus inspiziert werden. Sollte dieser einen Schaden haben, wird das defekte Material des Meniskus entfernt. Es folgt ein “Cleaning Up”. Das bedeutet, dass die gerissenen Bandreste und entzündliches Material entfernt werden. Anschließend wird der Fascienstreifen durch das Knie gefädelt und angezogen, sodass er festgenäht werden kann. Die Gelenkkapsel und die Fascie, welche das Kniegelenk umgeben, werden zusätzlich zur Stabilisierung gerafft und gedoppelt.
Durch diese Methode erreicht man eine temporäre Stabilität des Kniegelenkes, welches dann innerhalb von 6-8 Wochen abheilt.
Nach dieser Zeit kann ein erfahrener Untersucher immer eine leichte Instabiliät im Kniegelenk auslösen, welche jedoch für die Lahmheitsfreiheit irrelevant ist.
Zu 2) extrakapsuläre Technik: Bei der in der LESIA Tierklinik praktizierten extrakapsulären Technik wird ein nichtresorbierbares Fadenmaterial um den Ober- und Unterschenkel in gleicher Zugrichtung wie das Kreuzband eingebracht. Hierfür wird ebenfalls eine Arthrotomie von der Seite erfoderlich, um ein “Cleaning Up” und eine Meniskusinspektion vorzunehmen. Wenn die Gelenkkapsel wieder verschlossen wurde, wird der nichtresorbierbare Faden (FibreWire®) am seitlichen Bereich des Oberschenkels befestigt. Danach wird dieser Faden unter dem Kniescheibenband zur mittleren Seite des Kniegelenkes gebracht. Als nächstes wird ein kleines Bohrloch in den Unterschenkel gebracht und der Faden hierdurch wieder zur Seite gefädelt. Wenn nun die beiden Enden des Fadens verknotet werden, wird darauf geachtet, dass der Faden unter hoher Spannung verknotet wird. Ein routinemäßiger Wundverschluss nach intensiver Spülung der Operationswunde ist obligatorisch.
Bei dieser Technik erreicht man eine dauerhafte Stabilität des Kniegelenkes, da auch hier der Faden die Zugkraft des Kreuzbandes imitieren soll.
Zu 3) Veränderung der Biomechanik des Kniegelenkes: Bei der TPLO (Tibial Plateau Leveling Osteotomy) handelt es sich nicht wie bei den vorgenannten Operationstechniken um einen Ersatz des Kreuzbandes, sondern die Kräfteverteilung im Kniegelenk (Biomechanik) wird durch eine Rotation des Unterschenkelplateaus verschoben. Um dies zu erläutern, müssen wir einen kleinen Exkurs in die Physik machen. In dem Moment, wo der Hund das Hinterbein aufsetzt, wird das Gewicht über den Oberschenkel, das Kniegelenk und den Unterschenkel nach unten geleitet. Bei der Anatomie des Hundes ist es so, dass die Fläche des Oberschenkels, auf der der Oberschenkel zu liegen kommt, nie so abgewinkelt ist, dass der Unterschenkel die Kräfte senkrecht nach unten weiterleitet. Es ist eher so, dass ein Kräfteparallelogramm verdeutlichen würde, dass große Kräfte den Unterschenkel nach vorne drücken. Dies hat zur Folge, dass der Unterschenkel nach vorne gleitet. Dieses Gleiten (cranial tibil thrust) wird bei gesunden Hunden durch das vordere Kreuzband verhindert.
Bei der hier beschriebenen Operationstechnik ist es Ziel, die Kräfte so zu leiten, dass beim Fußen die Kräftevektoren nach unten gerichtet sind. Dies wird erreicht, wenn das Tibiaplateau 5-8° Neigung aufweist.
Zu Beginn der Operation wird ebenfalls der Meniskus kontrolliert und ggf. reseziert oder mit einem kleinen Schnitt entlastet. Dies kann arthotomisch oder arthroskopisch geschehen.
Nun wird mit einer kreisförmigen Säge der Unterschenkelknochen durchtrennt. Dann werden die Knochenenden so gegeneinander verdreht, dass das Unterschenkelplateau 5-8° Neigung aufweist. Zur Fixation werden spezielle TPLO Osteosyntheseplatten verwendet. Diese Methode hat den Vorteil, dass die Patienten relativ schnell wieder lahmheitsfrei laufen können. Zudem ist diese Methode besonders für Großrassen und schwere Hunde geeignet, bei denen die vorgenannten Methoden weniger ratsam wären. Es wird nicht erreicht, dass das Schubladenphänomen ausbleibt, jedoch sollte der Tibiakompressionstest nach der Operation negativ sein.
.
.
.
.
.
Hundekrankheiten-Lexikon mit freundlicher Genehmigung der LESIA Tierklinik Düsseldorf
.
.