Hundekrankheiten Lexikon: Kastration bei der Hündin
Kastration bei der Hündin
von Nicole Miß,
Tierärztin in der LESIA Tierklinik
Was bedeutet Kastration bzw. Sterilisation?
Kastration bedeutet eine Entfernung der hormonproduzierenden Keimdrüsen (Eierstöcke). Werden nur die Eierstöcke entfernt, spricht man von einer Ovarioektomie. Eine Ovariohysterektomie hingegen bedeutet die gleichzeitige Entfernung von Eierstöcken und Gebärmutter. Von einer Sterilisation spricht man, wenn lediglich die Eileiter abgebunden werden.
Mit beiden Methoden wird die Fortpflanzung unterbunden. Bei einer Sterilisation bleibt die Hündin jedoch weiterhin hormonell aktiv. Ein Läufigkeit inklusive Blutungen und Interesse der Rüden ist weiterhin vorhanden. Da die Kastration gegenüber der Sterilisation erheblich Vorteile bietet, ist sie hierzulande und in der LESIA Tierklinik die Methode der Wahl.
Warum sollte kastriert werden?
Zahlreiche Gründe sprechen für und gegen eine Kastration und müssen gegeneinander abgewogen werden.
Zu den bedeutendsten Vorteilen gehört die Verhinderung einer unerwünschten Trächtigkeit. Auch aus medizinischer Sicht kann eine Kastration nötig werden, wenn beispielsweise die Hündin bei einer Scheinträchtigkeit leidet oder Stofftiere, die als Welpenersatz fungieren aggressiv gegenüber Familienmitgliedern verteidigt werden. Ebenfalls kann eine Gebärmutterentzündung schnell zu einem medizinischen Notfall werden. Erste Anzeichen sind in der Regel ein gestörtes Allgemeinbefinden, vermehrte Wasseraufnahme und teils auch Scheidenausfluss. Mittels Ultraschall und einer Blutuntersuchung ist eine schnelle Diagnose und ein Eingreifen möglich. Weitere medizinische Gründe, die eine Kastration unumgänglich machen sind Eierstocks- und Gebärmutterveränderungen, Tumoren in der Scheide, ein Vorfall von Scheidenschleimhaut sowie ein Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit).
Des weiteren ist zu bedenken, dass durch eine Kastration das Brustkrebsrisiko deutlich zu beeinflussen ist. Gesäugetumore gehören zu den häufigsten Tumoren bei der Hündin und sind zu 20 bis 50 % bösartig. Das absolute Risiko der unkastrierten Hündin einen solchen Tumor zu bekommen liegt bei maximal 2 %. Kastriert man eine Hündin vor der ersten Läufigkeit, liegt die Wahrscheinlichkeit bei 0,5 % (relatives Risiko). Eine Kastration nach der ersten Läufigkeit, steigert die Wahrscheinlichkeit auf 8 %. Nach der zweiten Läufigkeit erhöht sich bereits das Tumorrisiko auf 26 %. Eine Kastration nach der dritten Läufigkeit zeigt keinen Einfluss mehr auf das Gesäugetumorrisiko.
Gibt es nachteilige Effekte bei einer Kastration?
Eine der häufigsten Kastrationsfolgen vor allem bei großen Rassen ist die Harninkontinenz, d. h. ein ungewolltes Harnträufeln bzw. ein un¬kontrollierbarer Abgang von Urin. Unabhängig von der Operationsmethode (Ovarioektomie oder Ovariohysterektomie) kommt es durch ein Fehlen der Geschlechtshormone zu einer Störung des Verschlussmechanismus der Harnröhre. Bei einem Körpergewicht von weniger als 20 Kilogramm liegt die Wahrscheinlichkeit bei maximal 10 %, mit einem Körpergewicht von mehr als 20 Kilogramm jedoch deutlich höher bei maximal 30 %. Ein besonders hohes Risiko ist bei den Irish Settern, Boxern, Riesenschnauzern, Bobtail, Collie, Rottweilern, Bernhardienern, Weimeranern, Huskys und Dobermännern nachgewiesen. Eine solche Harn-inkontinenz tritt meist erst Jahre nach der Kastration auf (Durchschnittlich nach 2,8 Jahren), ist jedoch mit einer Dauertherapie meist gut medikamentell behandelbar. Es wird diskutiert, dass eine Kastration vor der ersten Läufigkeit seltener zu Inkontinenz führt, die Erkrankung jedoch heftigeren in ihrer Ausprägung sein soll.
Bei einer Kastration vor der ersten Läufigkeit wird der Schluss der Wachstumsfugen verzögert und das Knochenwachstum verlängert. Es entsteht ein dysproportionierter Hochwuchs, welcher das Risiko für HD und Kreuz-bandrisse erhöht.
Ein weiterer Punkt sind Fellveränderungen, vorwiegend bei lang- und feinfelligen Rassen wie dem Irish Setter, Spaniels, Cocker und dem Langhaardackel. Es kommt zu einem übermäßigen Wachstum des Wollhaares, welches zu einem stumpfen Babyfell führt. Sehr selten kann es auch zu haarlosen Stellen in der Flankenregion kommen, was vor allem bei kurzhaarigen Rassen sichtbar wird.
Trotz modernster Technik bleibt ein Narkoserisiko bestehen, welches jedoch bei jungen gesunden Tieren sehr gering ist. Es kann in seltenen Ausnahmefällen zu Blutungen, Wundinfektionen, Verklebungen in der Bauchhöhle und Vulvaatrophie (Gewebsschwund im Schamlippenbereich) mit chronischer Vestibulitis (Scheidenvorhofentzündung) kommen.
Bei aggressiv dominanten Hündinnen kann nach Kastration ein Fehlverhalten unter Umständen verstärkt werden. Bei Verhaltensauffälligkeiten Ihrer Hündin sollte daher immer eine Verhaltensberatung zuvor erfolgen um zu klären ob eine Kastration sinnvoll erscheint.
Wann ist der richtige Kastrationszeitpunkt?
Wann die erste Läufigkeit auftritt unterliegt starken rassebedingten und individuellen Schwankungen. Kleine Rassen sind meist mit 6-10 Monaten, Riesenrassen mit 16-22 Monaten geschlechtsreif.
Bei einer Frühkastration wird vor der ersten Läufigkeit kastriert. Vorteile einer Frühkastration sind wie beschrieben neben einem deutlich geringeren Brustkrebsrisiko eine seltener auftretende Harninkontinenz, die dann jedoch bedeutend ausgeprägt ist. Beim Vorliegen einer eitrigen Scheidenentzündung (juvenile Vaginitis) kann diese in eine chronische Form übergehen. Mit dem Eintreten der ersten Läufigkeit kommt es durch den Östrogeneinfluss zu einer Heilung. Eine Kastration ist danach problemlos möglich.
Ein Kastration nach der ersten Läufigkeit sollten immer im Anöstrus, d.h. 6-8 Wochen nach der letzten Blutung erfolgen.
Wie läuft eine Kastration ab?
Am vereinbarten Kastrationstermin bringen sie uns Ihren Hund nüchtern in die Klinik. Um ein Erbrechen in der Narkose zu verhindern, sollte 12 Stunden vor der Operation kein Futter mehr gegeben werden. Wasser sollte jedoch die ganze Zeit zur Verfügung stehen. Die Kastration wird in Vollnarkose mittels Inhalations-narkose und intensivem Narkosemonitoring (EKG, Sauerstoff¬partialdruck, Kapnographie usw.) durchgeführt, dabei wird mittels eines kleinen Schnittes die Bauchhöhle geöffnet und die Eierstöcke und gegebenenfalls auch die Gebär-mutter entfernt. Bei jungen Hündinnen ohne einen Hinweis auf Gebärmutter-erkrankungen wird meist eine Ovarioektomie durchgeführt (Entfernung der Eierstöcke). Bei älteren Tieren sowie einem Verdacht oder einer bestehenden Gebärmuttererkrankung sollte immer eine Ovariohysterektomie (Entfernung der Eierstöcke und der Gebärmutter) durchgeführt werden. Danach erfolgt ein mehrschichtiger Verschluss der Bauchhöhle und der Patient kann aus der Narkose aufwachen.
Schmerzmittel während und nach der Operation verhindern einen Wundschmerz. In den Tagen nach der Operation sollte auf Harn- und Kotabsatz geachtet werden. Um eine Infektion der Wunde durch Lecken oder Fremdpartikel zu verhindern, wird ein Halskragen bzw. ein Medical Pet Shirt empfohlen. Regelmäßige Wundkontrollen gewährleisten einen komplikationsfreien Heilungs-verlauf und bereits 10-14 Tage nach der Operation können die Hautfäden gezogen werden. In dieser Zeit sollte der Hund ruhig gehalten und nur an der Leine ausgeführt werden.
Damit Ihr Hund nach der Kastration sein ursprüngliches Gewicht behält sind hormonell bedingte Änderung in der Futterverwertung unbedingt zu berücksichtigen. Meist tritt ein gesteigerter Appetit ein und eine bessere Verwertung des Futters. Mit Bewegung und einer reduzierten Futterration bzw. kalorienreduziertem Futter ist dies jedoch problemlos möglich
Gibt es Alternativen zur chirurgischen Kastration?
Durch Hormonspritzen kann die Läufigkeit unterdrückt werden. Sie müssen alle
4-6 Monate im Anöstrus wiederholt werden. Sie reduzieren nicht das Gesäugetumorrisiko. Von einer Dauertherapie ist abzuraten, da ein erhöhtes Risiko u.a. für Eierstockszysten und Gebärmuttervereiterung entsteht.
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Hundekrankheiten-Lexikon mit freundlicher Genehmigung der LESIA Tierklinik Düsseldorf
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